Ried-Mörel
GINDULIN
In ganz alten Zeiten soll im Aletschwald ein Zwergenstamm gewohnt haben. Ein Zwerg ging oft
hinunter nach Ried-Mörel und half den Bauern beim Hirten.
Ein Bauer hatte dort eine wunderschöne Tochter, das war die schönste Riederin. Der Zwerg
empfand eine ungeheure Sehnsucht nach ihr, aber sie schenkte ihm kein Gehör und meinte, so
einen ‚Strontzel‘, wie er sei, nehme sie ihn nicht. Sie wollte lieber einen richtigen Bauern. Der
Zwerg ergab sich aber nicht und erklärte ihr, er sei der Zwergenkönig im Aletschwald und sie
würde die Zwergenkönigin werden. Sie wollte jedoch nichts davon wissen. "Nein, ich will einen
richtigen Bauern heiraten."
Schliesslich entschied der Zwerg: "Gut, ich gebe nach unter der Bedingung, dass du meinen
Namen rätst!" Sie gab freudig ihre Zustimmung und er jauchzte: "Jetzt ist die schönste Riederin
mein!" Diese dachte dann aber nach und nach, aber sein Name kam ihr nicht in den Sinn.
Eines Tages ging sie mit einer Tschifra hinein in den Aletschwald und überlegte immer noch, wie
jetzt das kleine Zwerglein mit dem grossen Bart heissen könnte. Plötzlich sah sie in einer Lichtung
dieses selbe Zwerglein. Es tanzte da umher und sagte zu sich selbst: "Oh, wie bini so froh, dass
miini nit weiss, dassi Gindulin heiss!" Die Riederin fasste ihr Holz leise zusammen und
verschwand ungesehen heim.
Als nach einigen Tagen der Zwerg kam, wollte er wissen: "So, Annemarie, wie heisse ich jetzt?"
Sie verstellte sich zuerst und fragte: "Heissest etwa Gregor?" - "Nein. Gregor heisse ich nicht, aber
meinen Namen rätst du nicht!" Sie fuhr weiter mit Raten und nannte alle Namen, die unter Bauern
gebräuchlich waren. Der Zwerg meinte, seinem Ziel nahe zu sein, bis sie plötzlich sagte: "Dann
heissest du etwa Gindulin!" Dessen hatte der Zwerg einen solchen Zorn, dass er ausschrie: "Du
vermaledeites Mädchen, jetzt hast du doch meinen Namen geraten!" Der Zwerg zog fort und mit
ihm der Zwerdenstamm im Aletschwald.