Naters
DIE ARMEN SEELEN IM ALETSCHGLETSCHER
Vor alten Zeiten ging einmal ein frommer Pater, der Professor war, mit seinen jungen Schülern in
das Aletschtal spazieren, um den gewaltigen, ausgedehnten Gletscher zu bewundern. Kaum
hatten sie ihm betreten, machte der Pater halt und wollte auch den Studenten nicht erlauben,
weiter vorwärts zu gehen. Als er um die Ursache gefragt wurde, soll er ihnen gesagt haben: "Wenn
ihr wüsstet, was ich weiss und sehen könntet, was ich sehe, so würdet ihr gewiss keinen Schritt
mehr vorwärts tun."
Die Schüler, noch neugieriger, fragen ihn wieder, was er denn sehe. Und er legte einen Finger auf
den Mund, als wollte er ihnen Stillschweigen gebieten und sagte mit halblauter Stimme: "Weil der
Aletschgletscher voll armer Seelen ist." Da aber einige Schüler darüber ungläubig den Kopf
schüttelten, sagte er einem: "Komm hinter meinen Rücken, stelle deinen rechten Fuss auf meinen
linken und schaue über meine Achsel auf den Gletscher hinüber!" Da sah dieser voll Entsetzen
aus den blauen Gletscherspalten so viele Köpfe von armen Seelen emportauchen, dass man
keinen Fuss hätte dazwischensetzen können.