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Illustration David Zurbriggen

Ergisch

DER DORNSTAUDENRITT


Zwischen Eischoll und Ergisch liegt ein schöner Wald, das Tennholz. Da hauste ein Bozen, der es besonders darauf abgesehen hatte, den einsamen Wanderer in die Irre zu führen. Im Volke lebt gar manche dieser Verführungsgeschichten fort. Nach altem Brauch zogen die Besitzer der Turtmanntalalpen zur Alpzeit oft an Sonn- und Feiertagen mit schwer bepackten Saumtieren ins Tal hinein. So hatte einst auch der alte Hansjosi in Eischoll an einem Sonntag alles zur Talfahrt bereitet. Zur Vesperzeit, da er die Leute in der Kirche wusste, trabte unser Hansjosi mit wohlbeladenem Rösslein munter zum Dorf hinaus, dem Tennholz und damit dem Tale zu. Rüstig schritten Ross und Mann fürbass und Hansjosi wunderte sich schliesslich nicht wenig, dass er heute nicht zum Tennbach und zum Wald hinauskam. Noch eifriger treib er seinen Gaul an; umsonst.

Es wurde Nacht; keuchend wanderten Hansjosi und sein Ross weiter, aber zum Tennbach kamen die beiden nicht. Endlich konnte er nicht mehr weiter; mit einer letzten Kraftanstrengung schwang er sich auf den Rücken seines Pferdes und liess dies auf gut Glück vorwärts gehen. Da ertönte vom nahen Gampel herauf die frühe Morgenbetglocke. Jetzt löste sich der Bann. Mit Schauder sah Hansjosi, dass er weit unterhalb des richtigen Weges rittlings auf einer grossen Dornstaude sass, hart am Rande des Abgrunds. Gesicht, Hände und Gesäss waren blutig geritzt von den Dornen. Schweissgebadet und todesmatt stand neben ihm sein Rösslein. Vom Tennbach her aber hohnlachte es:

"Dornstaudenreiter, Dornstaudenreiter,
Mit der Sonntagsentheiligung kommst nicht weiter."

Erst lange Jahre nachher erzählte Hansjosi, warum er jetzt nie mehr am Sonntagnachmittag ins Turtmanntal fahre.