Brig
STOCKALPER UND DIE RÄUBER
Im Brand, oberhalb der Rohrflühe, hausten Wirtsleute, die nebenbei noch Landwirtschaft betrieben
und in der Nacht auf Raub ausgingen. Schon oft hatten sie reiche Kaufleute überfallen und
ausgeplündert. Aber niemand konnte ihnen etwas nachweisen. Man wusste nur, dass diese
Räuber immer als Frauen verkleidet waren. Kaspar von Stockalper wollte diesem Unwesen Einhalt gebieten. Weil jeder andere Versuch
misslungen war, soll er sich zu folgenden Wagnis entschlossen haben.
Er kleidete sich als
unsauberer Bettler und Narr, ging nachts durch diesen gefahrvollen Wald und wurde von den
Räubern gefangen. Er wusste sich bei ihnen gleich so gut zu verstellen, dass vorerst niemand
Argwohn schöpfte und einen Spion vermutete. Mit Freude und Gelächter wurde er sogar als Koch
angestellt und musste den Räubern Polenta kochen. Als ihm einer zeigen wollte, wie man es
machen müsse und dabei immer im gleichen Sinn umrührte, ergriff Stockalper den Kochlöffel und
sagte: "Äs geit nit immer nummu so, äs geit öi uf d anner Sita!" und rührte im Gegensinn. Die
Räuber hatten an diesem, wie sie meinten, törichten Einfall ihren Spass. Einige begannen aber
den neuen Koch doch mit argwöhnischen Blicken zu mustern und meinten: "Dieser Narr gefällt uns
nicht, er hat zu gescheite Augen. Wer weiss, ob es nicht vielleicht ein Spion ist?" Es gab eine
ziemliche Aufregung unter den Räubern und Stockalper musste sehr befürchten, plötzlich von
ihnen erdolcht zu werden. Er konnte sich aber weiterhin so gut verstellen, dass die meisten Räuber
sich wieder beruhigten und lachend feststellten: "En Göich ischt en Göich!"
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